Was ist erbrechtlich in der Konstellation einer Patchwork-Familie zu beachten?

Im deutschen Erbrecht finden sich keine Sonderregelungen für erbrechtliche Konstellationen in einer Patchwork-Familie. Möchten Patchwork-Familien klare Regelungen über die Verteilung ihres Nachlasses treffen, müssen sie ein Testament oder einen notariellen Erbvertrag errichten. Ohne Testament wird automatisch die gesetzliche Erbfolge angewendet, was zu ungewünschten und oftmals zufälligen Verteilungen des Nachlasses führt.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Gesetzliche Erbfolge: Ohne Testament erben nur leibliche und adoptierte Kinder sowie der/die Ehepartner:in, beziehungsweise Partner:innen in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft. Stiefkinder gehen leer aus.
  • Pflichtteil: Leibliche Kinder haben einen gesetzlichen Anspruch auf ihren Pflichtteil, auch wenn sie enterbt wurden.
  • Testament oder notarieller Erbvertrag: Notwendig, um Stiefkinder oder den/die neue:n Partner:in gezielt zu begünstigen.
  • Erbrecht Patchworkfamilie: Ohne Testament führt das deutsche Erbrecht in Patchworkfamilien oftmals zu zufälligen Verteilungen des Nachlasses.
  • Steuerliche Aspekte: Stiefkinder haben nur dann die hohen Freibeträge wie leibliche Kinder, wenn sie adoptiert wurden.
  • Testament für Patchworkfamilien: Muster können verwendet werden, allerdings sind Fallkonstellationen häufig so komplex, dass eine anwaltliche Beratung sinnvoll ist.

Rund zehn Prozent der Familien in Deutschland sind Patchwork-Familien, beziehungsweise Stieffamilien. Dabei gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Fallkonstellationen, wann von einer Patchwork-Familie gesprochen wird. Auch wenn Patchwork-Familien heute innerhalb der Gesellschaft keine Ausnahme mehr darstellen, findet sich im deutschen Erbrecht kein Erbrecht für Patchwork-Familien. Im Bürgerlichen Gesetzbuch ist die gesetzliche Erbfolge (interner LINK) geregelt, die immer dann greift, wenn kein Testament und kein notarieller Erbvertrag vorliegt. Die gesetzliche Erbfolge jedoch kennt keine Sonderregelungen für Patchwork-Familien. Dies hat zur Folge, dass in Patchwork-Familien die Höhe des Erbes der einzelnen Erbenden häufig von zufälligen Faktoren abhängt, wie wir später noch in Beispielen zeigen werden. Wer das vermeiden möchte, sollte als Patchwork-Familie ein Testament oder einen notariellen Erbvertrag nutzen.

Definition: Was ist eine Patchwork-Familie?

Eine Patchwork-Familie ist eine Familienform, in der mindestens ein Elternteil Kinder aus einer früheren Beziehung in eine neue Partnerschaft oder Ehe mitbringt. Diese Konstellation kann sowohl leibliche Eltern, Stiefeltern als auch Halb- oder Stiefgeschwister umfassen. Häufig entstehen Patchwork-Familien nach Trennungen, Scheidungen oder dem Tod eines Elternteils, wenn ein neuer Lebenspartner in die Familie integriert wird. Die offiziell gültige Definition lautet:

Eine Patchwork-Familie oder Stieffamilie ist eine um Dauer bemühte Lebensgemeinschaft, in die mindestens einer der Partner mindestens ein Kind aus einer früheren Partnerschaft mitbringt, wobei das Kind bzw. die Kinder zeitweise auch im Haushalt des jeweils zweiten leiblichen Elternteils leben kann bzw. können.

Der Begriff der Patchwork-Familie wird sowohl auf heterosexuelle als auch auf homosexuelle verheiratete und unverheiratete Paare angewendet. Diese weite Fassung der Definition macht deutlich, dass in Bezug auf das Erbrecht eine Vielzahl unterschiedlicher Fallkonstellationen bedacht werden müssen.

Erbrecht: Warum brauchen Patchwork-Familien zwingend ein Testament?

Patchwork-Familien sollten unbedingt ein Testament errichten, da die gesetzliche Erbfolge nicht auf ihre besondere Familiensituation zugeschnitten ist. Ohne Testament erben nur der/die Ehepartner:in und die leiblichen oder adoptierten Kinder – Stiefkinder oder der/die neue Partner:in ohne Trauschein gehen leer aus. Zudem kann es zu unerwünschten Konflikten zwischen den Erbenden kommen, insbesondere wenn Vermögen aus vorherigen Ehen oder Partnerschaften vorhanden ist. Ein individuell gestaltetes Testament ermöglicht es, den Nachlass gezielt zu verteilen, Pflichtteilsansprüche zu berücksichtigen und den überlebenden Partner sowie alle Kinder finanziell abzusichern.

Ein Beispiel soll verdeutlichen, wie die gesetzliche Erbfolge bei Patchwork-Familien zu zufälligen Verteilungen des Erbes führt, je nachdem, welcher Erblassende als erstes verstirbt:

Max und Anna sind verheiratet. Max hat aus einer früheren Beziehung seinen Sohn Paul, Anna hat ihre Tochter Lisa. Max besitzt ein Vermögen von 100.000 Euro, Anna von 1.000.000 Euro. Beide haben kein Testament verfasst.

Stirbt Max zuerst, erbt Anna als Ehefrau nach der gesetzlichen Erbfolge 50.000 Euro (die Hälfte des Vermögens, da sie mit einem Kind erbt), Paul erhält die andere Hälfte, also 50.000 Euro. Später verstirbt Anna – ihr gesamtes verbleibendes Vermögen (einschließlich des von Max geerbten Anteils) geht ausschließlich an ihre Tochter Lisa. Paul erhält nichts vom Vermögen seiner Stiefmutter, obwohl sein Vater mit Anna verheiratet war.

Stirbt hingegen Anna zuerst, erbt Max 500.000 Euro aus ihrem Vermögen. Annas Tochter Lisa erhält die andere Hälfte des Vermögens der Mutter (500.000 Euro). Nach dem Tod von Max geht sein gesamtes dann vorhandenes Vermögen – also sein ursprüngliches Vermögen plus das geerbte – ausschließlich an seinen Sohn Paul. Lisa erhält in diesem Fall nichts vom Vermögen ihrer Mutter, das Max geerbt hatte.

Vorüberlegungen: Was gilt es vor der Erstellung von einem Testament für Patchwork-Familien zu beachten?

Vor der Erstellung eines Testaments in einer Patchwork-Familie sollten zunächst klare Überlegungen angestellt werden, wer im Erbfall abgesichert werden soll und in welchem Umfang. Soll der/die neu:e Ehepartner:in, Partner:in in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft finanziell geschützt werden, damit er/sie weiterhin im gemeinsamen Zuhause leben kann? Sollen alle Kinder – sowohl leibliche als auch Stiefkinder – gleichgestellt werden oder nur die eigenen Nachkommen bedacht werden? Auch Pflichtteilsansprüche leiblicher Kinder aus früheren Beziehungen müssen berücksichtigt werden, um Streitigkeiten zu vermeiden. Zudem ist zu überlegen, ob bestimmte Vermögenswerte, etwa Immobilien oder Ersparnisse, gezielt vererbt oder über ein Vermächtnis zugewiesen werden sollen. Eine frühzeitige Testamentsgestaltung hilft, ungewollte gesetzliche Erbfolgen zu vermeiden und die Nachlassregelung nach individuellen Wünschen zu gestalten. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass für Patchwork-Familien, in denen die Partner:innen nicht verheiratet sind (oder in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft leben), weitere Besonderheiten gelten: Diese Paare können kein handschriftliches Testament verfassen, ihnen bleibt nur der Weg zum Notariat, um dort einen notariellen Erbvertrag abzuschließen.

Erbrecht für Patchwork-Familien: Worauf ist bei einem Patchwork-Familien Testament besonders zu achten?

Bei einem Testament für eine Patchwork-Familie ist besonders darauf zu achten, dass sowohl der Ehepartner als auch alle gewünschten Kinder – einschließlich Stiefkinder – angemessen berücksichtigt werden. Pflichtteilsansprüche leiblicher Kinder aus früheren Beziehungen sollten eingeplant werden, um Streit zu vermeiden. Zudem können Regelungen wie Vermächtnisse, Nießbrauch oder eine Testamentsvollstreckung helfen, eine faire und langfristig sinnvolle Vermögensverteilung sicherzustellen.

Berliner Testament und andere Formen der gegenseitigen Absicherung

Das Berliner Testament ist eine beliebte Form der gegenseitigen Absicherung für verheiratete Paare. Dabei setzen sich die Ehepartner gegenseitig als Alleinerben ein, während die Kinder erst nach dem Tod des zweiten Partners erben. Dies schützt den überlebenden Ehepartner finanziell, kann jedoch zu hohen Erbschaftssteuern führen, insbesondere wenn große Vermögen vererbt werden.

Für unverheiratete Paare ist das Berliner Testament nicht möglich, da sie nach der gesetzlichen Erbfolge nicht erbberechtigt sind. Sie müssen sich durch individuelle Testamente oder Erbverträge absichern, um sich gegenseitig als Erben einzusetzen.

Erbeinsetzung der Kinder in Patchwork-Familien

Die Erbeinsetzung der Kinder in einer Patchwork-Familie erfordert eine sorgfältige Planung, da die gesetzliche Erbfolge nicht alle Familienmitglieder gleichermaßen berücksichtigt. Es gibt insbesondere zwei Fallkonstellationen:

  1. Gemeinsame Kinder des Paares:
    Gemeinsame Kinder erben automatisch von beiden Elternteilen nach der gesetzlichen Erbfolge. Sind die Eltern verheiratet, erbt der überlebende Ehepartner zunächst einen Teil des Nachlasses, während die Kinder den restlichen Anteil erhalten. Falls ein Berliner Testament verfasst wurde, erben die Kinder erst nach dem Tod des zweiten Elternteils.
  2. Kinder aus einer vorherigen Beziehung einer Partnerin, eines Partners:
    Stiefkinder, die in der Patchwork-Familie aufgewachsen sind, haben kein gesetzliches Erbrecht, solange sie nicht adoptiert wurden. Ohne Testament erben sie nichts vom Stiefelternteil, selbst wenn sie wie eigene Kinder behandelt wurden. Um sie abzusichern, müssen sie durch ein Testament oder einen Erbvertrag ausdrücklich bedacht werden – entweder als Erbende oder durch ein Vermächtnis. Alternativ kann eine Adoption in Betracht gezogen werden, die dem Stiefkind erbrechtlich die gleiche Stellung wie leiblichen Kindern gibt.

Vorsorge für minderjährige Kinder in einer Patchwork-Familie

In Patchwork-Familien kann es insbesondere in Bezug auf minderjährige Kinder zu rechtlichen Problemen kommen, wenn kein Testament vorliegt. Kinder aus einer früheren Beziehung haben einen gesetzlichen Pflichtteilsanspruch, auch wenn sie nicht die leiblichen Kinder des neuen Partners sind.

Zudem sollte ein möglicher Durchgriff von Ex-Partnern, Ex-Partnerinnen auf das Erbe der Kinder bedacht werden. Sollte ein Elternteil versterben, können Ex-Partner:innen weiterhin Ansprüche auf das Erbe ihrer gemeinsamen Kinder geltend machen. Auch das Vermögen des verstorbenen Elternteils könnte im Falle einer früheren Ehe durch den/die Ex-Partner:in beansprucht werden. All dies sollte berücksichtigt werden, wenn ein Testament für Patchwork-Familien mit einem Mustertestament erstellt werden soll.

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